Donnerstag, 4. Juli 2013

UNGEBEUGT. Wider den Respekt vor der Asozialität (der Kunst)

"Erstaunlich bleibt", sagte sie, "wie viel Respekt die Asozialität gewisser Künstler und Philosophen selbst Menschen abringt, die sich eine solche Menschenverachtung niemals gestatten würden." "Vielleicht billigen sie sich selbst nicht so viel Talent zu, ihrer eigenen Arbeit nicht so großen Wert, ihren Erkenntnissen nicht so viel Wahrheit. Vielleicht sind es die, die demütig genug sind, ihr Haupt vor der Größe zu beugen.", antwortete er. "Vielleicht", überlegte sie, "sind es aber auch die, die zu viel gut versteckte Selbstliebe antreibt, um auf den Wert der Banalität, die Unverzichtbarkeit des Kitsches, die Feier der Bedeutungslosigkeit zu setzen, weil sie, wenn sie schon selbst nicht wagen, sich über Verantwortung, Gemeinschaft, Verbindung hinwegzusetzen und ihr eigenes Sein und Schaffen über alle Zusammenhänge zu stellen - wie die von ihnen so rückhaltlos Bewunderten - doch immerhin sich unbedingt unterscheiden wollen von den ´Gemeinen´, die in Bindungen aufgehen." "Du unterstellst ihrer Bereitschaft zur grenzenlosen Bewunderung die Sucht nach Distintinktionsgewinn?" "Genau."

______________
Dialogen, die mit "Genau" enden, ist aus Gründen nicht zu trauen. Andererseits: Ich begegne niemandem mit mehr Misstrauen und Missmut als den Gebeugten. 
______________

Wenig später wandte ein anderer ein: "Wie soll eine Kunst anders als asozial sein?" Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte darauf keine Antwort. Sie fand die Frage falsch. Aber sie kannte alle seine Argumente. Allein: Sie glaubte nicht an seine Dichotomien und Dilemmata. Sie glaubte nicht daran, dass diese Art und Weise, in die Welt zu schauen und an ihr zu verzweifeln, alternativlos war. Sie verzweifelte nicht. Sie glaubte an die Fügung. Und daran, dass alle Kunst, die zählte, gefügig sein musste. Er hätte sie gehasst, wenn sie ihrer Verweigerung Ausdruck verliehen hätte. Es half sehr, wie gut sie gelernt hatte ihr Schweigen mit Worten zu übertönen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen